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Leoniden spielen eine Clubshow für die Wissenschaft

Eine Clubshow ohne Abstand, Stühle oder Picknickdecken mit Moshpits, Stagedives und Wall of Death - klingt alles wie ein Traum, oder? Für 200 Leute wurde dieser Traum am Sonntag im Jazzhaus in Freiburg real. Kleiner Spoiler vorweg: Es war heftig.

Foto: @silverxstreets (Twitter)

Aber beginnen wir von vorne: An diesem Tag hätten die Leoniden eigentlich eine Show in Frankfurt gespielt, die jedoch aufgrund zu hoher Inzidenzen verschoben werden musste. Doch die Band hatte natürlich schon eine Alternative am Start und zwar das Modellprojekt der Uni Heidelberg, welches in drei verschiedene Stufen aufgeteilt war. Die letzte war die unbestuhlte Leoniden-Show mit 50% Auslastung. Zuvor wurden im Jazzhaus Freiburg bereits zwei Sitz-Konzerte veranstaltet, eines mit halber und eines mit voller Auslastung. Für die Teilnahme vorausgesetzt war das Tragen einer FFP2-Maske, ein Nachweis für einen tagesaktuellen negativen Test, sofern man nicht geimpft oder genesen ist und eine weitere PCR-Testung vor Ort.

Da sehe ich also die Ankündigung auf Instagram und hatte ein paar Sekunden später das Ticket im Warenkorb. Nach eineinhalb Jahren Konzertentzug muss man da nicht lange überlegen. Anscheinend ging es dabei vielen Leuten ähnlich, denn schon bald waren die Tickets ausverkauft. 

So fand ich mich dann also am Sonntag voller Vorfreude und Aufregung in Freiburg wieder. Ein paar Fans sitzen schon vor dem Jazzhaus als ich ankomme und genießen die Sonnenstrahlen. Die Stimmung ist entspannt und ausgelassen. Gegen 18:30 Uhr steht schon eine längere Schlange bereit für den Einlass, der anders abläuft als gewohnt. Denn anstatt der Ticketkontrolle bekommt jede*r einen QR-Code in die Hand gedrückt, mit dem man sich bei der Plattform für die Durchführung des PCR-Tests registrieren soll. Das gestaltete sich etwas chaotisch, aber wenn man diese Hürde überwunden hat, muss man nur noch sein Ticket und sein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorzeigen und darf dann hinunter in den Gewölbekeller. Dort stehen mehrere Tische bereit, an denen man sich unter Anweisung dann selbst in Form eines Lolli-Lutsch-PCR-Tests testet. Danach kann man sich zurücklehnen und beobachten wie sich das Jazzhaus immer weiter füllt. Überraschenderweise fühle ich mich in der Menschenmenge nicht unwohl und habe mich schnell wieder daran gewöhnt zwischen so vielen Leuten zu stehen.

Schon bevor die Leoniden auf die Bühne kommen, wird klar, dass ich nicht die einzige bin, die richtig Bock auf diese Show hat. Als die Crew nochmal kurz das Schlagzeug soundchecked tönt Applaus aus der Crowd und beim letzten Song der Umbauplaylist (I Just) Died In Your Arms von Cutting Crew singen alle lautstark mit. Das Publikum steht unter Strom.

Die explosive Spannung entlädt sich, als die fünf Kieler dann endlich die Bühne betreten und mit Colorless loslegen. Das ist der Startschuss für das Spektakel, das in den nächsten eineinhalb Stunden im Jazzhaus geschehen wird. Alle haben monatelang daraufhin gefiebert endlich wieder auf ein richtiges Konzert zu gehen, um mit anderen Menschen eng an eng die Lieblingsmusik zu feiern - und das merkt man. Das Publikum strahlt eine unfassbare Leichtigkeit aus, während es losgelöst und euphorisch auf und ab springt. Die belastenden zurückliegenden Monate werden hier vergessen, nur die Musik zählt. Auch die Leoniden blicken mit leuchtenden Augen in die Menge, denn ihnen geht es vermutlich genau gleich. 

Die Indie-Rockband bestehend aus Jakob, Lennart, Djamin, Felix und JP hat vor Corona 100 Konzerte pro Jahr gespielt; 2020 standen sie dann plötzlich kein einziges Mal auf der Bühne. Für Fans sind Leoniden-Shows wie eine Droge, von der man so schnell nicht mehr wegkommt. Da kann man sich kaum ausmalen, wie es für die Band selbst gewesen sein muss, so eine lange Zeit nicht mehr live zu spielen. Einen kleinen Eindruck bekommt man davon allerdings, als das Publikum bei Why lautstark I wonder why, why you waste your time singt und dazu ihre Arme mitschwingt. Ein Blick in die feuchten Augen der Bandmitglieder verrät: Sie können es gerade selbst nicht fassen, dass sie wieder eine richtige Clubshow spielen. Aber wer weiß, vielleicht haben sie auch nur in den Augen geschwitzt.

Foto: @silverxstreets (Twitter)
Das Tragen der FFP2-Maske, die Hitze im kleinen Gewölbekeller lassen die Show zu Hochleistungssport werden und erfordern besondere Maßnahmen. So gab es zwischen den Songs immer wieder kleine Atempausen, in denen man sich kurz erholen und den Schweiß abwischen konnte. In diesen Pausen betont Jakob immer wieder, wie überwältigt sie von der Atmosphäre sind. Richtig entspannen können sich dann alle, als Jakob ein Medley auf seinem Rhodes zum Besten gibt. Instagram-Followern der Leoniden könnte das bekannt vor kommen, denn im ersten Lockdown veröffentlichte die Band jeden Sonntag eine #staythefuckhome Session. Nachdem das Publikum dann mit Wasser versorgt wurde und Ruhe eingekehrt ist, beginnt Jakob mit einer reduzierten Version von Don‘t Look Back In Anger und Kiss From A Rose. Der Höhepunkt des Medleys ist Firework von Katy Perry. Denn als die Worte Baby, you‘re a firework Jakobs Mund verlassen schießen mehrere kleine Feuerwerke um ihn herum aus dem Boden. Diese kleinen Details beweisen, wie die Leoniden ihre Shows perfektionieren und durchdenken.

Auf der Setlist finden sich Songs aus der kompletten Diskographie der Band wieder; sowohl von den ersten beiden Alben, als auch vier der bisherigen Singles und ein unveröffentlichter Song von Complex Happenings Reduced To A Simple Design, dem dritten Album, das am 20. August erscheinen wird. Jedes einzelne dieser Lieder treibt die Menge an, immer noch mehr zu geben, obwohl die Energie auf Nachfrage im Publikum von Jakob schon unterhalb einer 7/10 liegt. Ein Grund für die Leoniden noch einen drauf zu setzen. Ich stehe direkt vor Lennart und werde einige Male fast von seiner E-Gitarre erschlagen, die er wie kein Anderer herumwirbelt und trotz Kniebeugen und Spagatsprüngen beherrscht. Überzeugt hat mich auch sein Einsatz bei den Instrumentals, die zwischen den Songs gespielt werden - vor allem das Nirvana-Rip-Off. Er ist ein Motor für die Energie der Crowd, die sich immer wieder in Moshpits und Wall of Deaths stürzt.

Vor Kids weist Jakob darauf hin, dass das der letzte Song des Abends sein wird. Nach aufkommender Empörung im Publikum fügt Lennart hinzu: „außer ihr singt ganz laut mit“. Das lässt sich niemand zweimal sagen und der nächste Moshpit wird eröffnet. Die Band verschwindet von der Bühne und direkt setzen die Forderungen nach einer Zugabe ein. Lange dauert es nicht, bis Jakob sich an das Keyboard setzt und Blue Hour anstimmt. Es dauert auch nicht lange, bis Tränen über mein Gesicht strömen - aus Dankbarkeit dieses Konzert erleben zu dürfen. 

Foto: @silverxstreets (Twitter)
Die Show findet ihren Abschluss in Sisters. Ein letztes Mal bilden die 200 Menschen eine Einheit, die von der Musik mitgerissen wird. Die Körper stoßen im Moshpit aneinander, der Puls schlägt im selben Takt, wenn alle singen I can‘t get this heart under control. Die Gefühle kochen noch einmal hoch, die Emotionen überschlagen sich im Publikum. 

Die Band hat es geschafft ihr Live-Programm noch weiter zu perfektionieren und zu zeigen, was bei Streaming-Konzerten fehlt: die Crowd. Bei den Leoniden noch mehr als bei anderen Bands. Man ist nicht nur Zuschauer*in des Konzerts, man ist fester Bestandteil der Show - eine Symbiose zwischen beiden Seiten, die sich gegenseitig bis zur Ekstase hochschaukeln und sich dort auf Augenhöhe begegnen. 

Falls ihr die Leoniden live sehen wollt, geht es hier zu den Tourdaten. Ihr werdet es nicht bereuen!


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