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RAZZ felt cute, might delete later

„Felt cute - might delete later“ - nach dieser beliebten Instagram-Caption haben RAZZ ihre neue EP Might Delete Later getauft. Hoffen wir mal, dass die vier Jungs es mit diesem Titel nicht allzu genau nehmen.

Foto: Martha Friedel

Vier Jahre nach ihrem zweiten Album lassen Niklas, Christian, Steffen und Lukas nun sechs Lieder in die Welt hinaus. Dort warten schon die Fans darauf, die RAZZ während ihrer relativ langen Bandgeschichte gewonnen haben. Befreundet sind die vier schon seit ihrer Kindheit, 2011 gründeten sie die Band und spielen seitdem auf den großen Bühnen des Landes. Jetzt sind sie nach einer kurzen Findungsphase zurück. Offensichtlich haben RAZZ diese genutzt, um ihren Sound weiterzuentwickeln. 

Neben diesem akustischen Wandel fällt auf: nicht nur der Titel der EP ist auf Social Media bezogen, einige der Songs befassen sich auch thematisch damit. Die erste Single 1969 - Conrad dreht sich um die Verbreitung von Fake News und Verschwörungen, für die Menschen insbesondere durch die Pandemie anfälliger geworden sind. Wer sich (wie ich) gefragt hat, was der Name des Songs damit zu tun hat, sieht sich am besten das zugehörige Musikvideo an. In diesem steckt Niklas in einem Astronautenanzug - Pete Conrad war der dritte Mann auf dem Mond im Jahr 1969. Der Astronaut symbolisiert die Wissenschaft und der Regisseur im Video soll für die Personen stehen, die sich diese nach ihren Belangen zurechtbiegen. Warum RAZZ ausgerechnet den dritten Mann auf dem Mond gewählt haben, lässt sich damit begründen, dass Might Delete Later ihr drittes Album/EP ist. Um diese Zusammenhänge könnte man fast eine eigene Verschwörung spinnen…

Der zweite Song Like You ist genauso leicht zugänglich wie 1969 - Conrad. Ich finde, das Lied würde musikalisch perfekt in eine Jochen Schweizer Werbung passen - positiv gemeint. Es geht kraftvoll nach vorne und man hat beim Hören direkt Lust Fallschirm zu springen oder andere Abenteuer zu erleben. Eigentlich besingt Niklas hier aber den Druck, der mit den sozialen Medien einhergeht. Man bekommt ständig vermittelt, wie langweilig das eigene Leben sei, wenn man auf den Handybildschirmen nur glückliche Menschen am Strand im perfekten Körper sieht. Like You ist eine Hymne gegen den inneren Druck, das ständige Vergleichen und Achten auf die Anzahl der Likes.

Die nächsten Songs sind etwas schwerer zu erfassen, als die vorherigen. Sie folgen nicht einer klaren Linie sondern wandeln immer wieder ihre Richtung. Constant Flow beginnt langsam und düster und steigert sich mit einem spannenden Melodiemuster bis zum schnellen Chorus. Ocean (Without Any Waves) ist dann wieder weniger experimentell, dafür gitarrenlastig wie man es von RAZZ gewöhnt ist. Der treibende Song lässt einen förmlich den Wind in den Haaren bei einem Roadtrip entlang der Küste spüren. Darauf folgt Reverberating, der meiner Meinung nach etwas überflüssig ist, da er unter den anderen Songs etwas untergeht. Abgeschlossen wird die EP von Game, einem deutlich poppigeren Lied, das der Band aber gut steht. Es geht darin um das Bedürfnis, aus dem öden Alltag zu entkommen und einen Neustart zu wagen.

RAZZ‘ Neustart ist mit Might Delete Later definitiv gelungen. Ihr Sound hat sich gewandelt - die Songs klingen erwachsener, ausgereifter und klarer. Also bitte löscht das nicht!

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