Direkt zum Hauptbereich

Blond verpassen übergriffigen Männern in „Du und Ich“ einen Denkzettel

Triggerwarnung: Sexualisierte Gewalt

„Sie hat mir aber Signale gesendet.“ Die Chemnitzer Band Blond deutet diese beliebte Ausrede bei sexueller Gewalt um und versteht in der neuen Single „Du und Ich“ das Grapschen als Heiratsantrag.

Foto: Anja Jurleit
Blond, das sind Nina, Lotta und Johann aus Chemnitz. Die zwei Schwestern Nina und Lotta sind seit ihrer Kindheit mit Johann befreundet, irgendwann wurde das gemeinsame Spielen dann zur Bandprobe - erst mit selbst gebastelten Instrumenten, die dann bald durch richtige ausgetauscht wurden. 

Mittlerweile hat sich die Band die Herzen des deutschen Indie-Publikums erspielt und überzeugt live nicht nur durch musikalischen Qualitäten, sondern auch mit kurzen Aerobic-Einheiten und ausgeklügelten Kostümwechseln. 
Die drei schrecken in ihren Texten nicht vor Tabu-Themen zurück. Man könnte sogar meinen, sie lieben es, diese zu brechen. So singen sie mal über die Menstruation oder rappen acht Minuten mit allen Künstler*innen, die Indie-Deutschland zu bieten hat, über Raststättentoiletten. 

Dieser Sanifair Millionär CYPHER ist aber nicht das einzige Projekt, dass Blond in der Corona-bedingten Zwangspause starteten. Nina und Lotta haben festgestellt, dass sie Meister im Geschichten erzählen sind und tun das nun wöchentlich in ihrem Podcast Da muss man dabei gewesen sein. Nicht selten sprechen sie darin auch über ihre Erfahrungen mit Sexismus im Alltag. Schon in ihrem Song Thorsten geben Blond Einblick in das Leben als weiblich gelesene Person, da vor allem Lotta als Schlagzeugerin häufig mit Mansplainern konfrontiert wird, die ihr nicht zutrauen, die Technik aufzubauen.

Die neue Single Du und Ich ist die erste Veröffentlichung des Trios seit dem Release ihres Debütalbums Martini Sprite im Januar letzten Jahres. Beim ersten Anhören war ich etwas überrascht, dass der Song kein Liebeslied ist. Wieso ich damit gerechnet habe, weiß ich selbst nicht so genau. Denn das Blond einen ganz normalen Liebeslied machen, ist dann doch eher unwahrscheinlich. Stattdessen widmen sich Nina, Lotta und Johann in Du und Ich wieder einem gesellschaftlich relevanten Thema und schaffen dabei, das ganze in Humor zu verpacken.

Wochenende in der Diskothek
Deine Hand an meinem Arsch

Der düstere Song dreht sich um einen Typ, der im Club herumgrapscht, Dickpics versendet und jetzt mit den Konsequenzen bestraft wird. Aber die Security überführt den Täter nicht etwa an die Polizei, sondern an den Hochzeitsaltar - er hat schließlich eindeutige Signale gesendet. 

Ich dachte, das Grapschen war ein Antrag

Du und ich für immer
Ich lass dich nie mehr los
Ein Haus, ein Hund und Kinder
Du und ich bis in den Tod

Der Refrain allein klingt wie ein romantisches Liebesbekenntnis, die Strophen verraten aber, dass die ewige Liebe die bittersüße Rache für die Übergriffigkeit des Täters ist. Weil sexualisierte Gewalt für so viele Menschen alltäglich ist, haben Blond entschieden, noch mehr Energie in das Thema zu stecken, als „nur“ ein Lied darüber zu veröffentlichen. Gemeinsam mit Wildwasser e.V. und Kosmos Chemnitz eröffneten sie am Releasetag die Hütte der sexualisierten Gewalt.

Wildwasser e.V. ist ein Verein, der sich zum einen als Beratungsstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt versteht, zum anderen aber auch mit Hilfe von Kinderschutzprojekten präventiv arbeitet. Die Plattform KOSMOS Chemnitz wiederum stellt sich schwerpunktmäßig der Frage, wie wir in Zukunft in unserer Gesellschaft miteinander leben wollen. Innerhalb der Ausstellung können die Besucher*innen anonymisierte Erfahrungsberichte von Betroffenen sexualisierter Gewalt lesen. Das Häuschen ist gut sichtbar an zentraler Stelle in der Chemnitzer Innenstadt zu finden, denn das Problem sexualisierter Gewalt existiert ebenfalls mitten in unserer Gesellschaft. Geöffnet ist die Hütte bis zum 8. August täglich von 16-19 Uhr, am letzten Tag findet um 16 Uhr noch eine Abschlussveranstaltung statt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Interview: Ottolien im "Gezeitenland"

Foto: Christian Bardenhorst Ottolien - das sind die Brüder Leonard (Singer-Songwriter, Gitarre) und Jonas (Rapper, Produzent) aus dem kleinen Örtchen Schieder-Schwalenberg bei Detmold, mittlerweile leben sie in Hannover. Gemeinsam produzieren die beiden eine Mischung aus Rap- und Popmusik und setzen dabei besonders auf Synthesizer-Klänge und vielschichtige Lyrics.  Am Freitag ist ihre zweite EP Gezeitenland herausgekommen. Die enthält unter anderem ein genderneutrales (Liebes-)Lied sowie vier weitere Songs mit Unterwasserästhetik. Ich habe mich mit den beiden übers Musikmachen, ihre Liebe zu SpongeBob und Winterdepressionen unterhalten. Ihr habt beide schon als Kinder angefangen Musik zu machen und seid dann erstmal auch musikalisch eure eigenen Wege gegangen. Zusammengefunden habt ihr dann wieder nach einem Pop-Kurs in Hamburg – wie kam das, dass ihr dann zusammen weitergemacht habt und nicht solo? Leo: Das war eine Mischung aus Eigeninitiative und durch die Menschen um uns ...

BROCKHOFF im Interview zu "Sharks"

BROCKHOFF hat heute ihre Debüt-EP Sharks veröffentlicht. Unaufgeregter Indie-Rock ist wohl die passendste Umschreibung für den Sound, den die Newcomerin mit ihren ehrlichen, nahbaren Texten verfeinert. Ich habe mich mit Lina zum Interview getroffen und sie zu ihrem Songwriting, den  neuen weiblichen Indie-Rockerinnen und ihrer Verbindung zum ADAC befragt. Foto: Charlotte Krusche Kannst du mal deinen musikalischen Weg beschreiben, von Lina, die Klavierunterricht hatte, bis zu der Lina, die jetzt die erste BROCKHOFF-EP veröffentlicht? Ich habe mit acht Jahren angefangen Klavierunterricht zu nehmen und mich irgendwann immer mehr für Popmusik interessiert. Dann habe ich begonnen, mir Gitarre beizubringen und eigene Songs zu schreiben und bin ich immer mehr auf der Gitarre hängen geblieben. Lange Zeit war ich solo unterwegs und habe Singer-Songwriter-Musik gemacht. 2018/2019 war ich sehr viel auf Tour und habe in kleinen Clubs Konzerte gespielt.   Nach meinem Abitur 2020 bin ich na...

Mimi & Josy machen ihr Debüt als HAVET

Drei Jahre ist es her, dass Mimi und Josy durch The Voice Kids schlagartig bekannt wurden. Jetzt haben sie mit "Child" ihre erste Single als HAVET veröffentlicht. Foto: Leonie Spiess Viral auf YouTube 86 Millionen Aufrufe hat die Blind Audition der beiden Schwestern aus Augsburg mittlerweile. Mit ihrer Version von Radioheads "Creep" haben sie sich in das Gedächtnis der Zuschauer*innen gesungen, die Show gewonnen und es irgendwie geschafft, nicht im Sumpf der vergessenen Casting-Show-Teilnehmenden zu verschwinden.  Musik im Blut Die Musikalität der beiden ist kein Zufall. Als Töchter einer Opernsängerin und eines Dirigenten steht die Tür zur Musikwelt wohl so weit offen, dass man gar nicht anders kann, als sie selbst zu betreten. So wurden erst Töpfe zum Schlagzeug umfunktioniert, verschiedene Instrumente ausprobiert und dann schon die ersten eigenen Songs geschrieben. Beim Songwriting zeigen sich die unterschiedlichen Einflüsse der Schwestern: Mimi, die eher im Folk...