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Congoroo im Interview: „Wir haben nichts gegen Federbälle“

Die Alterna-Grunge-Band Congoroo aus Halle veröffentlicht heute ihre erste Single seit sechs Jahren. In „Fly On The Pie“ verarbeiten sie mit eingängiger Melodie und fetten Gitarrensounds die gescheiterte Zusammenarbeit mit ihrem ehemaligen Produzenten. Ich habe am Tag vor der Veröffentlichung mit Mathias, Stefan und Severin über diese schwere Zeit und ihren Neuanfang gesprochen.
 
Foto: Juliane Fraenkel


Wie geht es euch einen Tag vor eurem ersten Release seit 6 Jahren?

Mathias: Ich bin sehr aufgeregt. Es hat wirklich lange gedauert und wir haben lange darauf hingearbeitet, deswegen freuen wir uns glaube ich sehr. Also ich freue mich total.

Gregor: Ich bin hibbelig wie am Tag vor Weihnachten.

Stefan: Bei mir war es eher so ein bisschen „ja mal gucken“. Ich dachte mich erwischt das nicht so, aber seit anderthalb Tagen geht bei mir gar nichts mehr, also schlafen und so ist ganz schwierig.

Mathias: Ja, schlafen ist bei mir auch problematisch.

Vielleicht wird es ja ab morgen wieder ein bisschen entspannter, wenn das Ding dann draußen ist.

Stefan: Ich falle dann einfach ab 0:00 Uhr für zwei Wochen in einen Schlaf und hol alles nach.

Dann kommen wir mal auf eure Anfänge als Band zu sprechen. Wollt ihr euch kurz selbst vorstellen?

Mathias: Wir sind Congoroo, eine Rockband aus Halle und machen Alternative-Rock mit ein bisschen Grunge- und Emo-Einflüssen und einer guten Schippe Pop.

Wie seid ihr zur Musik gekommen? Gab es einen Impuls, weshalb ihr angefangen habt ein Instrument zu lernen?

Stefan: Mathi und ich sind ja Brüder und ich kann gar nicht genau sagen wann das angefangen hat, aber als Kinder haben wir einfach viel Musik gehört und dann war das ein relativ fließender Übergang zum tatsächlichen Musik machen. Ich kann mich aber jetzt nicht an ein genaues Alter erinnern.

Mathias: Ich glaube wir waren 12 oder 13 Jahre alt, als wir uns bewusst zusammen hingesetzt haben.

Also habt ihr beiden dann schon immer gemeinsam Musik gemacht?

Stefan: Brüder streiten ja auch viel. Mathi hat irgendwann eine Band gegründet und ich bin immer wieder ein und ausgestiegen, je nachdem, ob wir uns gerade gestritten haben oder nicht (lacht).

Wie habt ihr dann Gregor und Severin kennengelernt?

Gregor: Bevor es uns gab, hatten die beiden Brüder eine andere Band, namens Burning Water und der damalige Schlagzeuger hat für einen Auftritt keinen Urlaub bekommen und ich sollte nur Aushilfe sein. Ich hab früher auch in mehreren anderen Bands gespielt und deshalb kannte man sich. Dann haben unsere Blödeleien ganz gut zusammen gepasst, ich bin aus den ganzen anderen Bands ausgestiegen, bei den Jungs geblieben und nach 12 Jahren immer noch Aushilfe (lacht).
Und bei Severin war es ein Besetzungswechsel. Wir hatten einen anderen Bassisten, der aus privaten Gründen ausgestiegen ist. Mit ihm hatte ich meine allererste Band mit 15 zusammen. Er war uns aus dem Freundeskreis bekannt und ist eigentlich gelernter Gitarrist. Ich hab ihn einfach gefragt, weil ich dachte: wenn er sechs Saiten spielen kann, kann er auch vier spielen. Die Chemie untereinander hat auch sehr gut gepasst.

Mathias: Das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten für die Band.

Wieso habt ihr die Single Fly On The Pie genannt?

Mathias: Die Anfangstextzeile ist You‘re not a human, you‘re just a fly that is sitting in your fortress of stolen cherry pies. Es geht halt um eine Fliege, die um einen Kuchen herumschwirrt - als Metapher sozusagen.

Gregor: Die gerne ein Stückchen abhaben möchte, beziehungsweise am liebsten den ganzen Kuchen aufessen möchte.

Auf Social Media habt ihr schon erklärt, von was der Song handelt. Ihr habt 2015 ein Angebot für ein neues Album bekommen, das nun aber nach fünf Jahren gescheitert ist. Könnt ihr nochmal genau erklären, wie das abgelaufen ist? So harte Arbeit wirft man ja nicht einfach so weg.

Mathias: Wir wurden in ein Studio gelotst, das für uns unglaublich gut aussah, wo wir dachten, krass, wir dürfen jetzt hier arbeiten und Songs schreiben. Dann hat sich aber nach monatelanger Arbeit herausgestellt, dass die Leute, mit denen wir da was machen, einfach nicht die sind, die wir dachten, die sie sind. Uns wurde Honig um’s Maul geschmiert und wir haben erst später mitbekommen, dass das alles heiße Luft war und wir da nicht rauskommen.

Gregor: Die Sache war, der Anfang der Arbeit war wirklich gut. Wir haben wirklich drei bis vier Tage die Woche sechs bis acht Stunden im Studio verbracht und an den Songs gearbeitet, waren alle voller Enthusiasmus und Elan. Das lief auch wirklich richtig gut. Dann haben nach einem Jahr Vorbereitung die Aufnahmen begonnen und am Anfang war auch noch alles ganz cool. Aber dann schlich sich so ein Schlendrian ein, das lief ganz subtil. Es war aber schon so viel Zeit und Energie in das Projekt geflossen, sodass wir immer daran festgehalten haben und gesagt haben, wir müssen das Ding fertig bekommen, auch wenn das gerade überhaupt nicht cool läuft. Wir haben das ja auch überall angekündigt und haben uns auch ein bisschen verpflichtet gesehen. Bis wir Anfang des Jahres jetzt an einem Punkt angekommen sind, wo es einfach nicht mehr tragbar war und wir sagen mussten, um hier irgendwie wieder auf die Beine zu kommen und auch als Band nicht daran zu scheitern, stampfen wir das Ding ein. Wir haben letztes Jahr dazu genutzt, fast ein neues Album zu schreiben, was auf jeden Fall sehr gut war, um als Band als Gefüge wieder zusammen zu wachsen. Wir mussten auch einen neuen Proberaum suchen, Anschaffungen tätigen, um wieder proben zu können und haben uns dann zusammengerauft. Wir sind jetzt mit den drei Singles, die wir aufgenommen haben wieder auf die Straße gekommen, um wieder vorwärts zu fahren. Wir waren an einem Punkt, wo es nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts ging. Da haben wir gesagt, wir steigen jetzt in ein anderes Auto ein und fahren wieder los.

Wie seid ihr aus diesem Loch dann wieder rausgekommen?

Mathias: Der Punkt war einfach, dass wir irgendwann wieder angefangen haben neue Songs zu machen - fast schon aus Langeweile, weil es mit dem anderen Projekt nicht weiterging. Auch zu viert in einem Raum zu stehen und das zu machen, da haben wir gemerkt, wir wollen immer noch weitermachen.

Stefan: Bei dem Schreiben der neuen Songs haben wir festgestellt, dass wir alle noch Bock haben. Das tat uns auch einfach komplett gut.

Sind die neuen Songs dann schon entstanden, als noch nicht klar war, dass ihr das Album nicht veröffentlichen werdet?

Stefan: Genau, das war währenddessen.

Mathias: Beziehungsweise, ich kann mich schon erinnern, dass ich das schon relativ zeitnah im Hinterkopf hatte, als wir angefangen haben mit neuen Sachen. Ich dachte, das ist unser Weg raus. Wir brauchen die ganze Altlast, die an uns hängt, jetzt gerade nicht mehr.

Wann ist euch bewusst geworden, dass es eine ausweglose Situation ist?

Mathias: Ende letzten Jahres. 

Gregor: Ja, so Spätherbst würde ich sagen. Da ringt man natürlich noch eine ganze Weile mit sich, wägt ab und denkt nach, ob es nicht irgendeine andere Möglichkeit gibt. Es war keine leichte Entscheidung und da ringt man noch mehrere Monate mit sich. Also klar, es ist auch immer noch schade und tut weh, weil es ja über fünf Jahre Arbeit waren, aber etwas besseres hätten wir nicht machen können.

Jetzt habt ihr einen neuen Produzenten. Wie habt ihr ihn kennengelernt?

Mathias: Als wir noch Live-Auftritte gespielt haben, hatten wir immer einen Kumpel dabei, der Licht für uns gemacht hat. Der hat uns an unseren neuen Produzenten, Frieder Does, herangeführt, der unsere neuen Sachen sofort cool fand und mit uns arbeiten wollte. Es war wirklich ein glücklicher Zufall. Wie wir das aufgenommen haben war viel aufregender und kreativer als alles was vorher passiert ist. Das hat uns allen sehr gut getan.

Gregor: Wir haben ja jetzt für die drei Songs mit ihm zusammengearbeitet, also wir haben keinen Vertrag oder so. Was man aber auch zudem, dass wir kreativer geworden sind, sagen muss ist, dass wir inzwischen fünf Jahre älter und reifer sind. Wir haben auch in der Zusammenarbeit mit unserem alten Produzenten ganz viel gelernt und mitgenommen und sind auch dankbar dafür und als Band daran gewachsen. Nichtsdestotrotz waren die Umstände, unter denen wir da gearbeitet haben einfach nicht mehr tragbar.

Was hat sich an eurer Arbeitsweise im Vergleich zu davor verändert?

Mathias: Ich glaube, dass wir fokussierter an einer Sache arbeiten. Aber das habe ich eigentlich nur gelernt, weil im alten Studio genau das Gegenteil der Fall war.

Gregor: Das bildet aber dann ja auch ein Mindset, wenn man merkt, so geht es nicht, ich will genau das andere.

Welchen Einfluss hatte die Pandemie? Habt ihr euch eher eingeschränkt gefühlt oder tat es dem kreativen Prozess sogar gut?

Mathias: Für mich war es super. In der Zeit habe ich so viele Songs geschrieben und unglaublich viel am Instrument gemacht. Ich hatte dadurch auch Zeit zu überlegen, wie wir jetzt die nächsten Schritte gehen. Mir hat es geholfen, nicht jedes Wochenende irgendwo zu sein - ohne diesen Freizeitstress, den wir alle irgendwie haben.

Stefan: Ich gehe grundsätzlich nicht so gerne raus, deshalb war das für mich kein großer Unterschied, außer dass ich keine Ausrede mehr dafür brauchte (lacht).

Es wird auch ein Musikvideo zu Fly On The Pie geben. Einen kleinen Vorgeschmack sieht man auf euren Social-Media-Kanälen. Wie seid ihr auf die Idee mit dem Fußball-Trainer gekommen und wo habt ihr den Schauspieler gefunden?

Mathias: Erstmal ist es ein Badminton-Trainer (lacht). Im letzten Trailer sieht man zwischendrin mal jemanden Badminton spielen. Hmm, wie erzählen wir das denn jetzt…

Stefan: Kann man es erzählen? Eigentlich nicht. Also es basiert alles zum Teil auf einer wahren Begebenheit. Ich weiß nicht, ob ich mehr sagen kann.

Gregor: Sagen wir so: Die Sportart Badminton hat ihren Teil dazu beigetragen, dass das Album nicht fertiggestellt wurde. Wir haben aber nichts gegen die Sportart, nichts gegen Trainer, nichts gegen sportliche Betätigung. 

Mathias: Wir haben auch nichts gegen Federbälle (lacht). Wir sind keine Federball-Rassisten.

Mathias: Den Schauspieler, Martin Reik, haben wir durch Severin gefunden. Einfach online gesucht. Er ist ein Hallenser Schauspieler.

Stefan: Er hat auch bei Känguru-Chroniken mitgespielt.

Mathias: Ich hab ihn in der Dreigroschenoper gesehen. Da hat er den Mackie Messer gespielt. Wir haben ihm den Song und die Idee geschickt und er fand es direkt cool und wollte mitmachen. Er hat auch wirklich alles mit sich machen lassen, was wir ihn gefragt haben. 

Gregor: Er hat auch einfach äußerlich gut gepasst. 

Das Musikvideo sehen wir dann ja bald. Wann dürfen wir denn mit einem Album rechnen?

Stefan: In fünf sechs Jahren (lacht).

Mathias: Drei Songs werden dieses Jahr noch veröffentlicht und so wie es aussieht, werden wir Ende des Jahres nochmal ins Studio gehen, um nochmal eine Song-Session zu machen. Dann schauen wir mal, wie viel dabei rauskommt und dann wird daraus ein Album geschustert. Ich nehme also mal an, im Laufe des nächsten Jahres.

Wollt ihr zum Ende noch irgendetwas loswerden? 

Mathias: Die Leute sollen alle morgen den Song streamen und das Video angucken.

Gregor: Und fleißig teilen und kommentieren.

Stefan: Und sich freuen, dass es uns noch gibt.


Hier geht es zum Song.



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